20.01.2023 – Barcelona – besondere Begegnung
Eine Woche liegt Barcelona jetzt schon hinter uns. Und ist immer noch so präsent. Vielleicht auch, weil ich täglich den im Park Güell von Rukkar, dem Schmuckartist, gekauften Ring am Finger trage. Und mein Dekolleté ziert der dazu von ihm geschenkte und mal eben so während unseres Gespräches entstandene Anhänger. Eine berührende Begegnung. An einem geschwungenen Weg, der durch den Park abwärts führt, sitzt er in der Sonne, Die mauer hinter ihm schützt und wärmt zusätzlich. Braungebrannt, weisses Haar, schwarze Brille, weisses Träger-T-Shirt oder Unterhemd, dunkle Hose, im Schneidersitz, das Gesicht der Sonne zugewandt. Vor ihm ein weisses Tuch, darauf liegen Ringe, Amulette, Armreife. Glänzen silbrig in der Sonne, die Steine leuchten in der Sonne. Seine Werkstatt hat er dabei. Das Material ist übersichtlich: eine Zange, silbrige Metallstäbe, farbige Steine in verschiedenen Farben und Formen. Ich probiere einen eckigen Ring mit einem türkisfarbenen Stein. Eine Farbe, die mich meistens gleich anspricht. Die Form des Ringes passt aber nicht zu mir, zu meiner Hand. Ich solle nicht meinen Mann fragen, ob ihm der Ring gefalle, mir müsse er gefallen. Und ob er zu mir passe, das könnte nur ich feststellen. Meint der Künstler. Ich kontere damit, dass der Mann ja doch eine andere Perspektive habe und mir seine Meinung auch wichtig sei. Ich kaufe nicht gerne Schmuck, schon gar nicht auf der Strasse, wollte auch hier nach einem kurzen Blick aufs Angebot schon weitergehen. Aber etwas hält mich fest, lässt mich verweilen, in die Hocke gehen, das Gespräch suchen. Ein Stock lehnt an der Wand. Eigentlich sei er ein richtiger Künstler. Das ist hier ist mehr ein Hobby, eine Möglichkeit unter Menschen zu kommen. Krank sei er, da oben im Kopf sitzt ein Tumor. Vielleicht noch ein Jahr, vielleicht zwei. Sein Leben ist definitiv endlich geworden, da ist ein Zeitrahmen abgesteckt worden von den Menschen in den weissen Kitteln.
Und er, den es betrifft, er sitzt hier in der Sonne. Biegt mit einer schmalen Zange gerade silbrige Stäbe zu eckigen oder vielfältig gefalteten, gerundeten Kunstwerken. Bindet kleine und grosse, bunte und nicht so bunte Steine in das Metall ein. Erzählt seinen Kunden was von der Wirkung dieser Steine, von der Farbe und was sie bedeutet. Der 2. Ring bleibt an meinem Finger. Er spricht zu mir. Nicht mit Worten, aber direkt in mein Herz. Und während wir sprechen, auf vielfältige unterschiedliche Art und Weise, Rukka, der Ring und ich, verwandeln sich ein weiterer Stab plus Stein in einen Anhänger. Der sei ein Geschenk. Für mich, einfach so, weil ihm danach ist und weil er mir Kraft wünscht und positive Gedanken, ich nicht den Preis verhandelt habe, wir uns so angenehm unterhalten.
Eine kurze, aber sehr tief gehende, uns sehr berührende Begegnung mit einem Fremden, der hier sitzt und zufrieden Schmuck herstellt. Sich freut, wenn seine Stücke andere erfreuen und sie schmücken. Und ihnen vielleicht auch wirklich Kraft und positive Gedanken geben. Einfach, weil er sie mit hat einfliessen lassen in seine Schmuckstücke. Weil er etwas weiter gibt und nicht einfach nur Schmuck verkauft. Strategie? Illusion oder Realität? Es ist vollkommen egal. Es ist anders, es ist berührend, besonders. Und das allein zählt.
Später verfluche ich mein schlechtes Namengedächtnis, kann mich nicht mehr an die Schreibweise seines Vornamens oder an seinen Nachnamen erinnern. So bleibt er der Künstler im Park Güell, der so ganz anders ist, als die anderen Strassenkünstler. Dessen Schmuck materiell gesehen keinen grossen Wert darstellt, aber dafür umso viel wertvoller ist als jeder in Gold oder echtem Silber gefasster Smaragd oder Rubin es je sein kann.
