Der 1. Kreis schliesst sich

06. bis 07.03.2024 Der Kreis schliesst sich – wir verlassen Sizilien

Von Santo Stefano geht es zurück nach Messina. Entgegen der Fahrtrichtung bei unserer Ankunft. Damit lassen wir das Stück Insel zwischen Taormina und Messina komplett unerforscht. Man muss ja noch Ziele fürs nächste Mal haben.

Dafür gibt es nochmal neue Eindrücke von der Westseite. Häuser, Landschaften, die wir damals nicht so vor Augen hatten. Ab Milazzo geht es dann quer über die Insel. Bedeutet – wieder einmal – Berg- und Talfahrt. Kurvig ist es. Durch Orte geht es, wo wir uns schon fragen, wer lebt hier, wo arbeiten die Menschen, was arbeiten sie????

Zwei Sulky’s begegnen uns – ob das ein wirklich sinnvolles Training für Trabrennpferde ist, hier auf dem Asphalt bergauf oder bergab zu traben? Hinter einem Sulky hechelt ein kurzbeiniger Hund her.

Messina präsentiert sich von seiner extrem hässlichen Seite. In anderen Ländern würde man das Viertel, durch das wir die Stadt erreichen, als Slum bezeichnen. Zumindest ist es kurz vor diesem Stadium. Häuser ducken sich unter die hohen Betonstelzen der Autobahn und ihrer Zubringer. Hässlich, hässlich, hässlich.
Das Navi quält uns durch die Stadt, der angepeilte Übernachtungsplatz liegt blöder weise am anderen Ende des Hafens. Gut 6 Kilometer während der Rushhour, die von wild gewordenen Motorrollerfahrern dominiert wird. Da wird links-rechts überholt, werden rote Ampeln ignoriert und und und. Wir sind ja schon einiges an italienischer Fahrweise gewöhnt, aber Messina verlangt mir grad einiges ab. Ich bin froh, als wir in den ruhigeren Teil des Hafens einbiegen, kurz vor dem Tor zum Marinegelände zum Stehen kommen. Hier gibt es Parkbuchten, längsseits zur Strasse. Die ist zu gewissen Zeiten schon gut befahren, trotzdem fühlen wir uns hier nicht unwohl. Rechts von uns steht der niedrige, gedrungene Leuchtturm. Gut versteckt hinter einem immergrünen Baum. Und ebenfalls rechts von uns wacht eine schwarze Büste auf weisser Treppe, flankiert von 2 schwarzen Ankern. Eine Skater- und Ballsportanlage sorgt für etwas akustische Untermalung. Die in der Nacht noch gesteigert wird: lautes Aufheulen eines Zweirad-Motores, Stimmen, drehen des Motors im Leerlauf. Ein paarmal kreiseln die Geräusche um uns herum, irgendwann kehrt Ruhe ein. Die allerdings auch relativ ist. Irgendein Schiff – vielleicht der Kreuzfahrer? – lässt die ganze Nacht Generatoren/Motoren laufen. Das monotone Brummen sorgt aber dafür, dass ich Werners Schnarchen nicht höre und irgendwann doch einschlafe.

Um kurz vor 8 in der Früh bildet sich eine Fahrzeugschlange vorm Militärgelände. Das Tor ist noch zu, es wird kein Einlass gewährt. Auch später fahren unablässig Autos ein. Ein kleiner Bus bringt Mitarbeiter der Werftbetriebe, die hier noch ansässig sind.

Wir machen uns auf die Suche nach dem Fährterminal bzw. dem Ticketschalter. Das ist hier in Messina deutlich einfacher. Auch wenn das Tickethäuschen auf den ersten Blick verlassen erscheint. Warum wir auf dieser Seite der Strasse von Messina 10 Eurocent mehr zahlen, als bei der Herfahrt erschliesst sich uns allerdings nicht. Und ob jetzt Hin-und Rückfahrt in einem Ticket günstiger gewesen wäre, wissen wir auch nicht. Die Fähre jedenfalls ist deutlich grösser. Einige PKW müssen in die 2 Etage fahren, wir dürfen unten bleiben. Per Lautsprecherdurchsage wird man aufgefordert, das Fahrzeug zu verlassen und sich aufs Personendeck zu begeben. Hatten wir eh vor. Letzte, wehmütige Blicke auf Sizilien werfen. Vier Wochen hatten wir dafür eingeplant, Sechseinhalb sind draus geworden. Und wir hätten es gut noch ein paar Tage länger hier ausgehalten. So aber haben wir noch gut zwei Monate für unsere „Rückreise“. Können uns noch mit Freunden treffen, Familie besuchen. Und wer weiss, was uns auf dem Weg nach Norden noch alles begegnet, begeistert?

Für die Nacht wählen wir – auch aufgrund des wechselhaften und etwas regnerischen Wetters – einen Stellplatz am Meer, mit Strom und heissen Duschen. Unterhalb eines steilen Felsens stehen wir hier, der Torre di Sarrazene bewacht uns, das nahe Meer rauscht über die Strasse rüber. Die Lidi sind noch geschlossen, Restaurants und Bars im Winterschlaf. Ein familiärer Platz ist es, von einer Rentnergang betrieben. Zitronen dürfen wir uns vom Baum pflücken und die Duschen sind im Preis von 15 Euro genauso inbegriffen wie der Strom. Wir parken nochmal um, geleitet von einem der „Chefs“, jaja, die Bäume, wir sollen doch den Platz neben seinem Wagen nehmen, da müsste der Empfang gut sein. Ist er dann auch. Der eigentliche Ort, Palmi, liegt weiter oberhalb, bietet ausser Einkaufsmöglichkeiten auch nichts Besonderes. Zumindest auf den Durchfahrtsblick hin. Wie so oft liegen Hafen und Strände unterhalb des Ortes, zu Fuss geht hier wenig, zumindest für uns. Aber wir wollen auch gar nichts unternehmen, einfach nur stehen, sein, ausruhen von den letzten Tagen mit schönen, aber auch anstrengenden Fahrtstrecken. Planen, wohin es gehen soll, was wir uns unbedingt anschauen wollen und was eher nicht.

Unser Fazit zu Sizilien: die Insel hat unsere Herzen erobert. Auch wenn nicht alles im klassischen Sinne schön war/ist haben wir doch sehr viele schöne Ecken entdeckt, sind freundlichen Menschen begegnet, haben lange nicht mehr gesehene Segelfreunde getroffen, Seglerluft geschnuppert, andere Wohnmobilisten kennen gelernt und auch vieles versäumt. So mancher idyllische kleine Ort ist mit einem grösseren Fahrzeug nicht erreichbar oder es hat uns die kühle höhenluft abgeschreckt. Sizilien im Winter ist sicher ganz anders, als Sizilien im Sommer oder Herbst. Aber es ist lässig, nachsichtig und tolerant. In manchen Dingen vielleicht zu tolerant und der viele Müll überall in dieser schönen Landschaft hat uns überrascht und geschmerzt. Strassenhunde sind uns nur wenige begegnet und die sahen immer recht zufrieden mit ihrem Leben aus. Wie auch die Streunerkatzen, die in deutlich grösserer Zahl auftraten, meistens von Anwohnern gefüttert wurden und ebenfalls zwar schmutzig, aber nicht unzufrieden mit ihrem Leben wirkten. So mancher Hof- und Kettenhund führt da evtl. ein schlechteres Leben.

Wir haben ein ruhiges, geduldiges Sizilien kennen gelernt und doch auch ein lebendiges. Nicht abgelenkt von touristischen Attraktionen und Remmidemmi. Vieles hat uns den Kopf schütteln lassen, hat uns aber auch ein Überdenken unseres eigenen Verhaltens, unserer Denkweisen beschert. Reflektion, Selbstreflektion, Zufriedenheit mit dem was wir haben und können. Dankbarkeit, dass wir all das erleben dürfen.
Italien hat unser Herz bislang nicht im Sturm erobert. Auch Sizilien gegenüber waren wir erstmal skeptisch. Sehen auch jetzt immer noch nicht alles durch die rosarote Brille. Kein Land ist nur weiss, auch nicht schwarz-weiss. Es gibt Grauzonen und die bunten Hochglanzbilder der Werbeseiten und Reiseführer zeigen meist nur das Schöne, blenden aus, filtern und schönen. Was unsere Augen und unser Herz nicht tun. Trotzdem können wir uns vorstellen, wieder hierher zu kommen, einen Winter auf Sizilien zu verbringen, vielleicht mit mehr Zeit, den Weg dorthin mit der Fähre ab Genua abzukürzen, wie es so viele tun. Dafür mehr Zeit an einem Ort verbringen. Und hoffentlich das gleiche Sizilien oder ein etwas sauberes Sizilien erleben zu können.
Ciao Bella Sicilia, Arrivederci, a presto

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