4.4. bis 07.4.2024 – Toskana

04.04. BIS 07.04.2024
TOSKANA vom allerfeinsten

Die Toskana macht es uns nicht leicht. Eigentlich dachte ich, ok, ist überbewertet, Klischeebehaftet, DAS Bild von Italien in den Köpfen der Deutschen. Brauch ich nicht, kenn ich auch schon. Ist allerdings auch schon eine Weile her, 2004 waren wir zuletzt hier. Mit dem grossen, weissen Bus. 2 Meter länger als Rosinante aber nicht wirklich komfortabler. Egal, Schnee von gestern, der Bus ist Geschichte, Rosinante ist Gegenwart.

Wir zwitschen ein bisschen hin und her: Latium, Toskana, Umbrien – manchmal wissen wir nicht so genau, wo wir eigentlich sind. Fakt aber ist: der Tipp von Bekannten liegt in der Toskana. „Besucht unbedingt den Tarotgarten von Niki de Saint Phalle“ heisst es in einer Whatsapp Nachricht. Wo liegt der denn??? Noch nie gehört, also vom Tarotgarten. Die Künstlerin ist uns schon ein Begriff, erinnern ihre Nana’s doch an die von mir so geliebten Chichi’s auf Curacao. Dralle Frauen, stark abstrakt dargestellt, aber sehr bunt und sehr rund.

Im Tarotgarten gibt es dagegen noch viele andere Figuren, angelehnt an eben besagte Tarotkarten. Wir zögern ein bisschen, muss man doch Tickets online erwerben und sich dabei auf Tag und Uhrzeit festlegen. Eigentlich nicht so unser Ding, festlegen, fix an einem Ort sein müssen. Nimmt unserer Art des Reisens etwas die Leichtigkeit, das ungezwungene. Aber wenn es sich lohnt. Wir ordern also für Donnerstag, den 4.4. um 14:30 zwei Tickets. Der Garten hat erst am 28.03. seine Winterpause beendet und ist nur nachmittags ab 14:30 geöffnet. Es gibt einen grossen Parkplatz, auf dem wir zumindest tagsüber auch mit dem Wohnmobil stehen dürfen. Sehr angenehm.

Wir sind etwas zu früh, parken neben einem anderen deutschen Wohnmobil ein. Die haben hier übernachtet, sie putzt sich gerade die Zähne genau da, wo wir beabsichtigen, zu parkieren. Was die Leute immer dran finden, in der Botanik die Beisserchen zu putzen….. ich mach das lieber im Bad, wir sind doch nicht im australischen Outback.

Pünktlich stehen wir vor der schlichten Mauer, die sich um den Garten zieht. Ein bewusster Gegensatz zu dem, was sich dahinter befindet. Erfahre ich später aus dem im Shop erworbenen Buch. Ich lese ja gerne hinterher, was ich da alles gesehen habe.

Das Tor öffnet, der Mob stürzt hinein. Und verteilt sich irgendwie auch schon gleich auf den ersten Metern, um dann vor der ersten Skulptur wieder zusammen zu finden. Vor uns plätschert Wasser eine blaue Treppe hinunter, darüber thronen gleich 2 köpfe, gekrönt von einer Hand. Links dominiert die Königin, die Sphinx das ganze. Da geraten eine Prinzessin, die vom Drachen bedroht wird und andere Figuren erstmal ins Hintertreffen, werden zu Randerscheinungen. Die aber später, im Verlauf des Rundgangs, wieder in den Focus rücken.

Wir sind überwältigt. Es spiegelt und glitzert, ist bunt oder auch rostig, dreht sich oder ist einfach nur da. Ist begehbar, bewohnbar und alles ist einfach nur atemberaubend. Welche Fantasie, welche Vorstellungskraft hier am Werk war. Totenköpfe und Schlangen sind immer wieder vorkommende Motive, dazwischen gibt es die ganze Bandbreite an Figuren, Formen, Farben. Ein Turm, eine Rakete. Säulen, von denen keine der anderen gleicht. Badende Nana’s in klein und bunt. Die Wohnung der Künstlerin, die in der aktiven Bauphase Wohnstatt und Meetingpoint des Teams gleichermassen war. Alles spiegelt und auch hier finden sich Motive der Tarotgarten dargestellt. Subtil, fast unauffällig, könnten Sie in all den weiss-silber-glitzernden Spiegelmosaiken als bunte Deco-Objekte untergehen. Wir schlendern und staunen, kommen mit anderen Besuchern ins Gespräch, rätseln über einige Objekte und über den Gemüts- und Geisteszustand der Künstlerin.

Dieser Garten wird noch lange in uns nachhallen, präsent sein in unseren Gedanken, unseren Köpfen. Man muss kein Kunstfan sein, um sich an diesem Garten zu begeistern, sich in seine Kunst zu verlieben. Ähnlich wie Sagrada Familie, park Güell, die Häuser Gaudis und der fantastische Palais Ideal wird der Besuch für uns ein unvergessliches Erlebnis.

Kann man das noch toppen? Aber lässt sich eine überwältigend schöne, wenn auch von Menschenhand gestaltete Kulturlandschaft wie die Toskana mit einem Kunst-Garten vergleichen? Nicht wirklich, denn Beides ist einzig und besonders. Pienza ist ein Ort, der uns nicht nur mit einem phantastischen Blick über das Val d’orcia fasziniert. Auch der Ort selbst ist entzückend. Die kleinen Geschäfte mit einem wirklich schönen und ungewöhnlichen Angebot an Waren, die Gassen, Plätze, Aussichtspunkte und Gebäude. Und besonderen Begegnungen. Am Ortsrand residiert eine Ordensgemeinschaft von Bendektinerinnen in einem alten Palazzo. mit einem irre schönen Ausblick über das Tal. Eine kleine Pforte in der mauer steht offen, eine Nonne mit Strickzeug bewaffnet spricht uns an: ob wir vielleicht einen Blick auf die Produkte werfen möchten, die sie zum Kauf anbieten. Teils selbst hergestellt, teils von lokalen Produzenten zum Verkauf angeboten. Klar wollen wir. Dann mögen wir doch bitte an der grossen Tür klingeln, eine Schwester werde uns öffnen und alles erklären. So geschieht es. Hinter der Tür erwartet uns eine holzvertäfelte Halle und alles mögliche an selbst gehäkelten Deckchen, verzierten Kerzen, Rosenkränzen, bemalten Gegenständen, selbst produzierten Marmeladen, Limoncello und und und. Natürlich darf der hiesige Käse-Lokalmatador, der Pecorino, nicht fehlen. Es gibt einen jungen und einen dunkleren, länger gereiften. Meine Frage, wie denn der junge geschmacklich so sei, fehlen die englischen Worte. Hife kommt von einem anderen Besucher: „nice“ …. muss ich mehr wissen? Dazu wird mir die Marmelade aus Zwiebeln empfohlen. Ein Geschmackserlebnis, dass ich mir sehr gut vorstellen kann. Wir schlagen also zu, lassen 57 Euro in der Klosterkasse und führen 2 braune Papiertüten gefüllt auch mit guten Wünschen nach draussen. Jetzt noch in den Ort? Nee, das überfordert uns, wir gehen zurück ans Wohnmobil.

Am nächsten Vormittag dann starten wir noch einmal Richtung Centro Storico. Schon der Panoramaweg – am Kloster vorbei – ist gut besucht, aber nicht überfüllt. Durch ein Stadttor geht es ins Centro Storico und schon auf den ersten Metern können wir verstehen, warum so viele Busse neben unserem Stellplatz parken: der Ort ist unglaublich faszinierend und voller Charme und Flair. In einem kleinen Haushaltswarenladen erstehen wir eine kleine Ölkanne. Im blau-grauen Arbeitskittel steht der Inhaber hinter der Theke und vor Regalen, die bis zur Decke mit allem möglichen gefüllt sind. Nichts, was es hier nicht gibt. Verführerisch glänzen mit Tierköpfen versehene Wasserhähne für den Gartenbereich im Schaufenster. Aber die bei uns? Perlen vor die Säue sag ich nur und wer weiss, ob das Gewinde passt. Der Preis ist auch nicht unerheblich, wir verzichten.

Genauso schweren Herzens verzichten wir auf eine unglaublich schöne Servierplatte mit kleinen Schalen für Oliven etc. Das Fischmotiv und die Art der Bemalung sowie die Farben haben es uns angetan, der Preis dagegen eher weniger. Ok, es ist es bestimmt wert, aber wenn ich mir vorstelle, für 380 Euro eine Ecke von dem Ensemble abzuschlagen ….
Wir kaufen mit den Augen und der Kamera. Wobei es sehr oft schwer fällt, nicht doch das Portemonnaie zu zücken. Sei es bei den Kunstschmiedearbeiten oder den schönen, stilvoll und dezent bedruckten Stoffen und Kissenbezügen oder den in einer kleinen Werkstatt von einem älteren Herrn eigenhändig hergestellten stilvollen Lederartikeln. Kulinarisch kommt man hier ebenfalls alle Naselang auf seine kosten, aus vielen Ladentüren riecht es sehr intensiv nach Käse.
Pienza ist also als Gesamtpaket ein Ort, den man gesehen haben sollte.

Von Pienza geht es ein Stück durch das besagte Val d’Orcia, auf der SS146 entlang. Säulenzypressen tänzeln die sanft gewellten Hügel hinauf, säumen sich schlängelnde, aus hellem „Sand“ bestehende Wege, die an eindrucksvoll auf dem Hügel erbauten Häusern enden. Restaurants, Herbergen, Olivenölproduktion – nur die Weinreben sind irgendwie unterpräsentiert hier. Dafür gibt es saftig grüne Wiesen, zeitweise durchsetzt mit frischem Gelb. Und dahinter der blaue Himmel, getupft mit weissen Wolken. Am Strassenrand leuchtet es sternförmig weiss und lila-hellblau.
Orte wie Montepulciano und irgendso einen Thermenort haben wir angesteuert, sind aber nie geblieben. Aber Monteriggioni, das sagt uns zu. Ein Stellplatz am Ortsrand mit Blick auf Toskana-Feeling: Zypressen, ein altes Gemäuer und Reben. Die Plätze sind breit, es ist warm. Wir packen Tisch und Stühle aus, ziehen kurze Hosen und Sandalen an. Ein Gefühl von Sommer, die Dachluken und Fenster sind geöffnet – einfach herrlich.
Leider fährt Sonntags kein Bus nach Siena. Und für Montag sind orangefarbene Ausrufezeichen im online Fahrplan hinterlegt: Störungen und Unterbrechungen möglich. Brauchen wir nicht. Also wird alles wieder eingepackt am Sonntag und wir suchen einen Parkplatz in Siena. Finden ihn nach einer kleinere Irrfahrt (3. und 4. Ausfahrt im Kreisel waren irgendwie schwer unterscheidbar). Leider funktioniert der in der App angekündigte Aufzug im Parkhaus nebenan nicht und so müssen wir schon gleich eine Treppe hoch und ca. 3-4 Stockwerke überwinden. Bis wir am Stadttor zum Centro Storico ankommen bin ich schon mürbe, was die Steigung der zu überwindenden Altstadtgassen nicht besser werden lässt. Ein Haus ist zu verkaufen, macht mich mein Mitstreiter aufmerksam. „Nicht für Geld dabei“ lautet meine Antwort. Oben angekommen wirft ein Madonnenbild sein wohlwollendes Auge auf uns. Ob das vielleicht Teil einer Pilgerstrecke ist? Und von oben sieht man auch erst so richtig, WIE steil die Gasse ist. Und jetzt noch einmal quer durch die Altstadt bis zum Dom. Die Strecke ist abwechslungsreich, führt erst durch enge, dunkel wirkende Gassen. Der Stein aus dem die hohen Häuser sind, trägt dazu bei. Dann biegen wir in die sonnengeflutete Fussgängerzone ein und suchen prompt den Schatten. Überall hängen Flaggen von den Häusern, der Palio, das legendäre Pferderennen ist allgegenwärtig, auch wenn es gerade nicht stattfindet. Auf Postkarten sind die Wappen der Stadtteile abgebildet und überall hängen Fotos oder Zeichnungen von den Rennen oder den siegreichen Zossen.
Sogar Hufeisen werden verkauft, so oft kann man eigentlich kein Siegerpferd beschlagen lassen.
Der Dom ist eindrucksvoll, aber leider grad nicht zugänglich. Verständlich, wird doch gerade ein Gottesdienst abgehalten. Immerhin kann man durch die geöffnete Türe einen Blick ins Innere erhaschen.

Auch die Piazza del Campo ist eindrucksvoll, dominiert und bildet das Zentrum von Siena. Neben dem Palazzo Pubblico ragt der markante Torre del Mangia in den Himmel. Der Platz ist einer der eindrucksvollsten kommunalen Plätze Italiens und – im Gegensatz zu anderen – steht hier keine Kirche! Dafür gehören ca. 15 der wirklich schönen Gebäude rund um den Platz einem Investor aus Kasachstan. Wer hätte es gedacht.

Zweimal im Jahr ist die Piazza Austragungsort des Palio, eines der härtesten Pferderennen die es gibt. Die Contraden (Stadtteile) stellen jeweils ein Teilnehmerpaar. Wobei sowohl das Pferd als auch der Reiter nicht zu dem jeweiligen Stadtteil direkt gehören. Die Pferde stammen aus einem grossen Pulk und werden ausgelost, der Jockey wird gemietet. Aber Ross und Reiter tragen die Farben des von ihnen vertretenen Stadtteiles, damit auch ganz klar ersichtlich ist, für wen sie starten. Für das Rennen wird der Platz mit einem speziellen Gemisch aus Tuff und Sand zugedeckt, damit die Pferdehufe ordentlich halt finden. Trotzdem ist es durch die Lage und Form des Platzes keine einfache Rennbahn. Und die Regeln sind beinhart: es darf sich gegenseitig behindert werden und es kann sogar ein Pferd gewinnen, dass seinen Reiter unterwegs verloren hat. Hauptsache, es trägt das Diadem seiner Contrade noch. Und das kommt wohl nicht selten vor, reiterlose Pferde sind naturgemäss auch schneller ;-).
Leider kommt es auch oft zu tödlichen Unfällen bei den Pferden, da diese ungebremst in Häuser gelaufen oder sonstwie gestürzt sind. Daher steht das Rennen – sicherlich zu Recht – stark in der Kritik italienischer Tierschützer.

Wir haben jedenfalls fertig mit Siena. Es war eindrucksvoll und sehenswert. Aber uns macht die zunehmende Wärme auch etwas zu schaffen. Einerseits schön, kann man unbeschwert auf Steinen sitzen und rasten, trägt Sandalen und leichte Kleidung. Aber es macht gerade solche bergauf-Touren auch schon beschwerlicher. Für den Rest des Tages dösen wir jedenfalls nur noch entspannt unter der Markise mit Blick auf die toskanische Landschaft.

Hinterlasse einen Kommentar

Erstelle eine Website wie diese mit WordPress.com
Erste Schritte