Toskana im April

Toskana und ihre Städte im April

Bäume, die ihre Blätter und Blüten entfalten. Der Duft des Sommers. Menschen, die von der Daunenjacke und den Stiefeln auf T-Shirt, Kleid, Rock und Sandalen wechseln. Fast ist es uns schon zu warm, über Mittag, in der Sonne. Gut fürs Solarpaneel, wenn wir ohne Stromanschluss stehen. Für die Fenster suche ich die Abdeckungen raus, die Markise wird zögern ausgedreht. Etwas steif knackt sie in ihren Gelenken, zu lange hat sie sich in ihrer Hülle ausgeruht. Skeptisch beobachte ich das draussen, ist vielleicht doch zu viel Wind für das fragile Gestell? Die Tür muss mit einem Gummistrop fixiert werden, der dient gleichzeitig als Wäscheleine, denn das blöde klappbare Plastikgestell aus dem Campingladen erweist sich als sperrig und unpraktisch, klappt zusammen wo es nicht soll und bleibt starr und spröde, wenn es sich klein machen soll.
„Willst Du ans Meer?“ fragt der Beifahrer. Will ich ans Meer? Eigentlich nicht. Eigentlich gefällt mir die Landschaft etwas ab vom Meer gut. eigentlich kann ich mir die Massen gut vorstellen, die diese warmen Tage alle am Meer verbringen wollen. Das erste Bad im blauen Wasser. Bekannte sind an der Amalfi-Küste, wir sehen Fotos von einem Positano, das sich verändert hat. Menschen am Strand, in Badekleidung. Sonnenschirme in Reih und Glied. Wie anders das vor wenigen Wochen noch aussah. Oder ist es doch schon länger her, dass wir dort waren? Die Zeit ist fliessend, eben noch dort, heute schon ganz woanders. Und das Ende unserer Reise rückt näher, wird greifbarer.

Wir schauen uns Städte an, Pisa, Siena, Lucca. Kleinere Orte wie Monteriggione, Gambassi Terme oder Pienza. Der Beifahrer kann gar nicht genug bekommen. Da noch hin und das müssen wir uns ansehen. Meine eingeschränkte Lauffähigkeit vermiest mir das etwas, aber irgendwie hangele ich mich durch.

Umgeben von trutzigen Stadtmauern sind die Städte und Ortschaften der Toskana, in deren Schutz sich uralte Steinhäuser ducken. Mal mehr, mal weniger nett anzusehen, mal grösser, mal kleiner. Gassen mit uralten Steinplatten, holperig, ausgetreten, wie vor Urzeiten verlegt. Eine Tortur für die Füsse, eine Augenweide für die Seele. Metallringe an Hauswänden, die von Fortbewegungsmitteln auf vier Beinen künden, lang-lang ist’s her. Heute sitzen die Menschen auf den steinernen Bänken unter den Ringen, ruhen aus, essen und trinken, sitzen und schauen. Restaurants, Bar’s, Souvenirläden, Wein und Öl, „Prodotti tipico“, Kleidung, Lederwaren. Plätze und Gassen, die auch am Abend noch belebt sind.
Gut gekleidete Italiener, die sich in im Familienverbund oder oder Freundesgruppe am Wochenende auf den Weg ins Konzert oder zur Vernissage machen. Die die Restaurants bevölkern und die Gassen und Plätze zum summen bringen. Kinder vertreiben sich die Zeit mit Fussballspielen zwischen den Tischen, die liebevoll dekoriert und gedeckt sind. Für jeden Geschmack und Geldbeutel gibt es etwas. Haben in Pisa die Touristen die Oberhand, fühlen wir uns in Lucca fast wie Exoten unter all den Einheimischen. Man kennt sich, hält auf dem Nachhauseweg vom shoppen noch einen Schwatz mit dem Koch vom Fischrestaurant oder schaut nochmal beim Souvenirhändler rein, der vielleicht auch der Nachbar oder Onkel oder Schwager ist. Familiär wirkt das alles. Radler, die geschickt ihr Zweirad mit einer Hand steuern, während die andere das Telefonino hält. Busfahrer, die mich völlig irritieren, weil sie in einer Tour reden, auf italienisch und nicht mit mir, nein mit dem Freund oder der Frau – im Telefonino. Der Freund spricht deutsch, übersetzt simultan, was ich für die Fahrkarten bezahlen soll. Was ich ja auch noch auf italienisch verstanden hätte.
Städte, die auch ausserhalb ihres Centro Storico nicht ganz so hässlich wirken wie noch weiter südlich. Autofahrer, die plötzlich wieder anhalten, wenn man am Fussgängerüberweg steht. Es ist anders, dieses Italien weiter nördlich. Die Strassen sind nicht mehr ganz so schlecht, die Mülltonnen grösser – aber sonst ist es immer noch Italien, liebenswert und doch nicht unser Lieblingsland.

Zwischen den Städten fahren wir durch eine liebliche Landschaft. Keine, die wie ein Blitz in unser Herz einschlägt. Aber eine, die sich einschmeichelt in unsere Sinne. Die uns mit ihren sanften grünen Wiesenwellen, den Zypressenalleen und gewundenen Pfaden, die zu einem stolz auf einem Hügel thronenden Gemäuer führen, in ihren Bann ziehen. Eine Landschaft wie im Reiseführer. Italien, wie es in den Köpfen und Herzen vieler Deutscher lebt. Wir wundern uns, wo wohl der ganze Wein angebaut wird. Sehen wir doch fast nur Wiesen und Felder, Olivenbaumhaine – aber nur ganz vereinzelt mal einen klitzekleinen Weinberg. Das best gehütete Geheimnis der Toskana: wo sind die Weinberge? Oder sind wir nur blind?

Wir lernen die Via francigena kennen, folgen diesem uralten Pilgerpfad auf einigen Metern. Immer wieder begegnen wir seinem Symbol. Noch nie hab ich davon gehört und doch ist es der wichtigste Pilgerweg von Nordeuropa nach Rom. Schon 876 n Chr. wird er erwähnt und führt von Canterbury nach Rom. Eine Etappe führt auch durch die Toskana. Heutzutage gibt es Pilgerherbergen und natürlich auch einen Pilgerpass, den man sich abstempeln lassen kann. Die Pilger, die ihm folgen, sind jedenfalls definitiv unauffälliger oder es sind zur Zeit nur wenige davon unterwegs. Wir begegnen nur einem, der sich völlig erschöpft in der Touristeninformation von Gambassi Terme zusätzliche Informationen abholt.
Vielleicht ist es auch einfach üblicher, mit dem Auto zu Punkt A zu fahren, eine Etappe des Weges zu wandern und die Fahrzeuge später mit einem Sammeltaxi wieder abzuholen.

Fotos und die genaue Reiseroute gibt es unter folgendem Link:

https://www.polarsteps.com/LizHofmann/7247715-bella-italia?s=7CAD30DB-427E-4E9D-830A-FFE3D58FCF11

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